Ich denke, ihr habt eine falsche Vorstellung von "Web". Web ist nicht nur die kleine Seite von Hans Klaus, Stukkateurmeister in Potsdam (das ist wirklich nur ein 2-wöchiges Projekt), noch ist der größte Teil davon irgendetwas im Bereich Flickr, last.fm, etc. Viele Seiten werden gebaut und über Jahre gepflegt. Das ist durchaus ein Job für Leute über 35 mit 2 Kindern. Wer als Service Webseiten für Unternehmen und Institute baut, ist eh mehr an den Wartungsverträgen als an dem Livegang des Produktes interessiert. Ich kenne mehr als einen Entwickler, die (natürlich mit kleineren Ausnahmen) einen festen Wochenablauf haben, der rein aus Wartungsarbeiten besteht. Es ist nicht unüblich, dass Webseiten so groß werden, dass man mit der inkrementellen Erweiterung und Pflege locker einige Entwickler bezahlen kann.
Die qualitativen Anforderungen steigen momentan fix. Es hat wirklich Anfang des Jahrtausends noch gereicht, "PHP" buchstabieren zu können, um eine Festanstellung zu bekommen. Inzwischen bekommt man ohne solide Kenntnisse einer Serversprache, HTML, Javacript und CSS schon kein Praktikum mehr - und wie wir hier schon oft festgestellt haben, gutes Verständnis von HTML und CSS sind schon keine Trivialitäten (und da haben wir mit dem Programmieren noch garnicht angefangen). Insofern ist auch das "der Praktikant macht das" mit Vorsicht zu geniessen: diese Praktikanten sind inzwischen sehr auf Zack

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Das Webentwicklung in Firmen irritierenderweise gerne noch intern gehalten wird, wie Daniel es beschreibt, ist ein interessanter Effekt. (der wahrscheinlich dem Grundgedanken des Web entspringt, dass jeder dort veröffentlichen kann) Das meine ich aber nicht. Genausowenig rede ich über kleine IT-Startups, die auf einer netten Idee basieren und eventuell mit ihrem Produkt leben oder sterben. Ich meine Dienstleisungsagenturen, die Webseiten machen. Mein regelmäßiger Arbeitgeber ausserhalb der Semester zum Beispiel hat im letzten Jahr seine Anzahl an Programmierern verdoppelt und hätte noch mehr Leute eingestellt, wenn es denn welche gäbe, die die Anforderungen erfüllen. (und zwar konkret, jeder muss 2 Wochen als Praktikant arbeiten, bevor er eingestellt wird) [sollte jemand auf dumme Gedanken kommen: wir reden hier auch nicht über einen Sprung von 1 auf 2]
Ich glaube, ihr habt da einfach noch ein eingefahrenes Bild im Kopf (ich denke mich zu entsinnen, dass Wolfgang mal erwähnt hat, dass er sich Erfahrungen mit Webentwicklung niemals in den Lebenslauf schreiben würde...). "Keine großartigen Anforderungen" würde ich auch sehr mit Vorsicht genießen. Natürlich variieren die Wünsche und auch die finanziellen Mittel der Kunden. Klar, gemessen an der Implementierung z.B. eines Mautsystems sind Webprojekte immernoch klein. Andererseits sollte man beachten, dass die Schwierigkeit hier woanders liegt: in kleinen Gruppen bei unter Umständen spontanen Anforderungsänderungen extrem schnell qualitativ gute Software vorzulegen. Das ganze geht mehr so in Richtung Spieleentwicklung: die Planung geschieht während der Entwicklung.
Gruß
Skade
Nachtrag: Ach ja, wenn man sich mal ansieht, welche Programmierkonzepte man für das Verständnis von Standardbibliotheken wie z.B. Prototype, MooTools und Behaviour.js braucht, kann von niedrigen Anforderungen kaum eine Rede sein - klar, der allgemeine Rubyprogrammierer hat damit keine Probleme. Aber wir sollten uns durchaus dessen bewusst sein, dass wir uns hier alle schon Jahre auch hobbymässig mit dieser Sprache beschäftigen.
Nachtrag #2: Das geringe Durchschnittsalter bei Webentwicklern ist meines Erachtens weniger dem Umstand der Ungebundenheit zuzuschreiben als dem Umstand, dass diese Altersgruppe einen entscheidenden Vorteil gegenüber Älteren hat: einen ungezwungenen und weitreichenden Erfahrungsschatz mit dem Web - für Leute meiner Altersgruppe ist das ein akzeptierter Teil des Lebens.